Warum das Draftsystem:
Zwischen Europa und Nordamerika gibt es im Eishockey – Nachwuchssystem gravierende Unterschiede. In Europa ist der Spieler berechtigt sich den Klub auszusuchen und/oder kann später gegen Geld transferiert werden. Somit kann sich theoretisch der Klub, welcher das meiste Geld hat, die besten Nachwuchsspieler sichern. Genau das ist der Grund, warum es in Nordamerika das Draftsystem gibt. Damit wird versucht, die Stärke der Teams ungefähr ausgeglichen zu gestalten. Das schlechteste Team bekommt den besten Nachwuchsspieler.

Zum Beispiel haben die NHL-Klubs, welche in den Megacitys wie New York, Toronto oder Montreal beheimatet sind, mehr Einnahmen und Geld zur Verfügung als die kleinen Klubs wie Phoenix oder Calgary.
Um zu verhindern, dass die erfolgreichen Teams auch noch die besten jungen Spieler bekommen, dürfen die Klubs, welche in der Tabelle in den hinteren Regionen angesiedelt sind, zuerst die Rechte an Spielern erwerben.

Das Draftsystem gibt es schon ab dem Alter (ca. 14), in dem die jungen Spieler für die großen Juniorenligen spielberechtigt sind. Die Jugendlichen kommen in einen regionalen Pool (aufgeteilt nach Bundesstaaten) und werden in der entsprechenden Region, von den dort ansässigen Teams gedraftet. Sobald ein Spieler das 18. Lebensjahr erreicht hat, dürfen seine „Transferrechte“ von den NHL-Klubs per Entry-Draft erworben werden.

Geschichte und Scouting:
Der erste NHL Entry Draft fand am 5. Juni 1963 in Montreal statt. In der Regel dürfen nordamerikanische Spieler für den Draft nur zwischen 18 und 20 Jahre alt sein, während europäische Spieler lediglich spätestens im September des jeweiligen Jahres das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen. Eine Altersbegrenzung nach oben gibt es in diesem Bereich nicht.

Für den Draft hat die NHL 1975 extra den Central Scouting Service (CSS) eingerichtet, der auf der ganzen Welt nach Talenten Ausschau hält und vor dem Draft eine Liste der empfohlenen Spieler veröffentlicht. Seit 2002 gibt es mit dem International Scouting Service (ISS) eine zweite Institution, welche den Nachwuchstalenten auf die Beine schaut.

Natürlich verfügt jedes NHL-Team über eine eigene Scouting Abteilung, deren Hauptaugenmerk eben darauf liegt, die Nachwuchsspieler für den jährlichen Draft zu bewerten. Es werden aber auch andere Ligen beobachtet, um zu sehen, ob sich ein nicht im Draft gezogener, älterer Spieler für die Liga empfiehlt.

Draftreihung und Lotterie:
Die NHL besteht derzeit aus 30 Teams. In jeder Runde des Drafts hat jedes Team einen Draftpick. Das bedeutet, dass man sich die Rechte an einem Spieler pro Runde sichern kann. Allerdings können die Teams Ihre Draftpicks in Transfergeschäften an andere Teams abgeben und auch Draftpicks anderer Teams erwerben, sodass man durch einen Transfer in einer Runde keinen, aber auch mehrere Draftpicks haben kann.

Der NHL-Draft hat 7 Runden. Jedes Team hat in jeder Runde einen Draftpick (Ausnahmen wie oben) somit ergibt sich die Gesamtanzahl von 210 Spielern (30 Teams x 7 Runden = 210 Draftpicks / Spieler) welche in einem Draftjahr gezogen werden können.

Überdimensionale Draft-Anzeigetafel

Überdimensionale Draft-Anzeigetafel

Die Reihenfolge im Draft entspricht im Grunde der umgedrehten Abschlusstabelle einer Saison. Also hat das schlechteste Team die erste Wahl im Draft und das Beste die Letzte. Um zu verhindern, dass Teams absichtlich verlieren und dadurch eine schlechtere Platzierung erreichen, wurde ab 2013 die Draftlotterie eingeführt. Das berühmteste Beispiel: 1984 spielten die Pittsburgh Penguins absichtlich schlecht, um Letzter zu werden. Dafür wurden Sie „belohnt“ und durften als Erste einen Spieler auswählen: Es war Mario Lemieux.

In der Draftlotterie befinden sich die 14 Mannschaften, die die Play-offs verpasst haben. Dabei ist das schlechteste Team vor der Lotterie auf Platz 1 und das Beste auf Platz 14 in der Draftreihenfolge gesetzt. Der Gewinner der Lotterie erhält automatisch den „First Overall“-Draftpick, darf also im Draft als erstes Team auswählen. Es handelt sich hierbei um eine gewichtete Lotterie, sodass das schlechteste Team der Saison auch die besten Chancen auf den ersten Draftpick hat:

 copyright Associated Press  / Connor McDavid mit Oilers Trikot.

© Associated Press / Connor McDavid mit Oilers Trikot.

Lotterieplatz Chance
1. 20%
2. 13,5%
3. 11,5%
4. 9,5%
5. 8,5%
6. 7,5%
7. 6,5%
8. 6%
9. 5%
10. 3,5%
11. 3%
12. 2,5%
13. 2%
14. 1%

Bis zum NHL Draft 2012 galt die Regelung, dass das Team, das die Lotterie gewinnt, sich nur um bis zu vier Plätze in der Draftreihenfolge verbessern kann. Somit hatten nur die ersten fünf Teams die Chance, den ersten Draftpick zu erhalten. Mit der Saison 2013 wurde diese Regelung abgeschafft.

Somit ist die Draftreihenfolge der 14 vorzeitig ausgeschiedenen Teams bestimmt. Auf den Plätzen 15 bis 26 kommen erst die „normalen“ Play-off-Teilnehmer, dann die Divisionssieger. Die schlechteste Mannschaft erhält dabei die beste Draftposition. Auch zwischen den Plätzen 27 und 28 entscheidet diese Regel.

Position Saisonerfolg
1.-14. nicht für die Play-offs qualifiziert, Platzierung nach Draft Lotterie
15.-26. Play-off-Teilnehmer, die in den ersten beiden Runden ausgeschieden sind
27.+28. Finalisten der Conference Finals
29. Stanley-Cup-Finalist
30. Stanley-Cup Sieger

Der Draft:
Wenige Tage nach dem Stanley Cup-Finale findet im Stadion eines NHL-Teams der Entry Draft statt. Es kommen die Hauptverantwortlichen aller Teams, die größten Talente und viele Fans zusammen. Der Ort der Veranstaltung wechselt jedes Jahr, so das immer ein anderes NHL-Team als Gastgeber fungiert.

Nachdem der Präsident der NHL eine Eröffnungsrede gehalten hat, wird der Draft eröffnet. Nach der Reihe geht der General Manager oder ein anderer Vertreter jedes NHL-Klubs auf die Bühne und gibt die Wahl des Teams bekannt. Der ausgewählte Spieler wird auf die Bühne gebeten und zieht das Trikot seines neuen Teams über, es werden Fotos geschossen und Interviews gemacht.

Das Büro eines NHL-Teams beim Draft

Das Büro eines NHL-Teams beim Draft

Nach dem Draft:
Ist ein Spieler von einem Team verpflichtet worden, gehört er zum „System“ des Teams. Das ist aber keine Garantie, dass er jemals in der NHL spielen wird. Viele junge Spieler bleiben oft noch Jahre länger bei Ihrem Juniorenteam, um sich dort noch weiterzuentwickeln, oder gehen weiterhin aufs College, um Ihren Abschluss zu machen.

Meistens werden die hoffnungsvollsten verpflichteten Spieler etwa einen Monat vor Beginn der NHL-Saison von Ihrem Team zum Trainingscamp eingeladen, wo sich entscheidet, ob Sie in den NHL-Kader kommen, bei einem Farmteam (AHL) langsam an die NHL herangeführt werden, oder ob man Sie zurück zu ihrem Juniorenteam schickt, weil Sie noch nicht die Klasse für die NHL haben.

Der verpflichtete Spieler darf bei keinem anderen NHL-Team spielen, solange das Team, das ihn ausgewählt hat, die Rechte an ihm besitzt. Verliert ein Team die Rechte an einem Spieler, weil Sie ihn innerhalb von drei Jahren nicht unter Vertrag genommen haben, erhält das Team eine Entschädigung in Form eines Draftpicks. Der Spieler selbst gilt dann als Free Agent und könnte auch erneut von einem anderen NHL-Klub gedraftet werden. Als Beispiel dient hierfür sogar ein Österreicher:Gregor Baumgartner wurde 1997 auf Platz 37 von Montreal ausgewählt. 1999 mit dem 156. Pickrecht drafteten ihn die Dallas Stars erneut.

Nicht gedrafted – keine NHL??
Die Draftlisten geben in der Regel die Leistungsstärke der Spieler bis zum Draftalter (meistens 18) wieder. Ist jemand mit 18 nur Durchschnitt wird er höchstwahrscheinlich nicht im Draft ausgewählt. Es gibt aber viele Beispiele von Spielern, welche es ungedrafted in die NHL geschafft haben. Auch gibt es einige, die erst in den letzten Runden gezogen wurden, später aber zu Superstars wurden. Die Entwicklung hört ja nicht mit 18 Jahren auf. Einige haben mit 19,20 oder noch später auf einmal eine Leistungsexplosion und werden interessant für die „Big Leagues“. Nicht gedraftete Spieler können mit jedem NHL-Team in Verhandlungen treten und verpflichtet werden.

Einige berühmte Beispiele:

Name Klub Draft Info
Dominik HASEK Chicago 1983, 10 Runde, Nr.199 Stanley Cup 2002+2008, 6x Vezina Trophy
Luc ROBITAILLE Los Angeles 1984, 9 Runde, Nr.171 Stanley Cup 2008, 1400 NHL Punkte
Theo FLEURY Calgary 1987, 8 Runde, Nr.166 Stanley Cup 1989, Olympia Gold 2002
Henrik ZETTERBERG Detroit 1999, Runde 7, Nr.210 Stanley Cup 2008, Olympia Gold 2006
Ryan MILLER Buffalo 1999, Runde 6, Nr.138 Vezina Trophy 2010, Olympia Silber 2010
Pavel DATSYUK Detroit 1998, Runde 6, Nr.171 Stanley Cup 2002+2008, 3x Selke Trophy
Henrik LUNDQVIST NY Rangers 2000, Runde 7, Nr.205 Vezina Trophy 2012, Olympia Gold 2006
Adam OATES nicht gedraftet 1420 Scorerpunkte, Hall of Fame Mitglied
Martin ST.LOUIS nicht gedraftet Stanley Cup 2004, NHL-Topscorer 2004/2013
Brian RAFALSKI nicht gedraftet Stanley Cup 2000+2008, Olympia Silber 2010